Aufgrund der Corona Situation in Berlin habe ich gestern meinen geliebtes Tattoostudio Good Old Times Tattoo auf unbestimmte Zeit geschlossen. Diese Entscheidung fiel mir nicht gerade leicht. Auf der einen Seite war es moralisch nicht vertretbar unsere Kunden weiterhin zu tätowieren, sie und meinem Team der Möglichkeit einer Infektion auszusetzen. Auf der anderen Seite ist es eine riesen finanzielle Herrausforderung.
Infektionsschutzgesetz
Aktuell gibt es keine verbindliche offiziellen Aussagen seitens der Landesregierung wie und wann mit einer finanziellen Unterstützung gerechnet werden kann. Das Hauptproblem aktuell ist, das sich niemand für Tattoo-Studios interessiert. Ohne eine explizite Schliessungsanordnung , bekomme ich keine finanziellen Hilfen. Ebenso viele andere Selbstständige die direkt oder indirekt von dem Virus betroffen sind.
Gedankengänge
Ich selber habe keine Angst vor der Infektion des Corona Virus. Ich sorge mich, verantworlich dafür zu sein mit dem Shop Dreh und Angelpunkt einer Infektionskette zu sein und somit das Leben älterer Menschen und anderer Risikogruppen aufs Spiel zu setzen.
Wer schoneinmal bei uns im Tattoostudio war, weiss wieviele Internationale Kunden bei uns tätowiert werden. Ich hatte letzten Donnerstag gleichzeitig Kunden aus Japan, China, Schweiz, Frankreich und den USA zum Walk-In im Shop. Manche zur Beratung, andere zum Tätowieren. Alle hatten eines gemeinsam. Fehlende Sensibilisierung zum Thema COVID-19. Ehrlich gesagt muss ich mich zu diesem Zeitpunkt auch dazu zählen.
In der Nacht von Donnerstag auf Freitag, habe ich mich zu diesem Thema eingelesen. Nicht mit Hilfe der lokalen Klatschpresse sondern internationaler wissenschaftlicher Studien.
Corona ist nicht nur ein Bier
Erst danach habe ich verstanden, dass das eigentliche Probleme nicht das Corona Virus selber ist. Das Problem ist die rasante Vermehrung. Mit der rasanten Vermehrung sind soviele Menschen aufeinmal betroffen, dass das Gesundheitssystem nicht hinterherkommt und anfängt zu kolabieren. Genau das passiert gerade in Italien. Menschen aus der Risikogruppe können nicht behandelt werden weil nicht genug Plätze und Beatmungsgeräte im Krankenhaus vorhanden sind. Krankenschwestern und Ärzte stecken sich selber an weil nicht genug Schutzkleidung zur Verfügung stehen, wodurch auch die Personallage kippt. Aktuell sterben in Italien 300 Menschen täglich.
Einer der Gründe ist, dass die Menschen in Italien die Quarantäne Zeit genutzt haben um sich mit Freunden im Kaffee zu treffen oder im Park zum geselligen Brunch. Das hat die Verbreitung des Virus erst so richtig beschleunigt.
Kaffeeklatsch in Prenzl Berg
Wie sieht die Corona Situation in Berlin aus? Die Abiturienten feiern in den Parks, in Prenzlauer Berg platzt „Zeit für Brot“ aus allen Nähten und die Kids geben sich High Five, in Friedrichshain wird die Tischtennisplatte belagert und Lieschen Müller freut sich, dass sie endlich mal so richtig im Baumarkt Pflanzen shoppen kann. Ich selber habe mich dabei ertappt das schöne Wetter zu nutzen und im Tiergarten joggen zu gehen. Was ich da erlebt habe ähnelt einem Volksfest. Ich hatte Mühe und Not mich durch Crossfit Workouts und Yoga Session´s zwischen anderen flanierenden Berlinern zu schlängeln.
Noch am Sonntag habe ich gepostet „vermeidet soziale Konatkte und geht lieber in den Wald“. Wo sonst nie was los ist haben auf einmal die Autos in 3 Reihen geparkt.
Deutschland wurde schon so lange von Kriegen und Krankheiten verschohnt, dass wir Probleme auch ignorieren wenn sie schon an unsere Tür klopfen. Abends Koks morgens Yoga heisst jetzt abends Coronaparty und morgens Klopapier hamstern. Die gemeine Kartoffelnase lässt sich selbstverständlich nicht in ihren Grundrechten eingrenzen und läuft weiter rotzender Weise durch die Strassen. Das alles würden sie vielleicht anders sehen wenn sie wie die meisten in den USA keine Krankenversicherung hätten. Die Behandlung eines ihrer Familienmitglieder könnte nicht bezahlt werden und sie würden zum sterben nach Hause geschickt.
Verantwortung übernehmen
Ich habe zwar seit Freitag letzter Woche Good Old Times Tattoo für die Öffentlichkeit und Tätowieren ohne Termin geschlossen, habe aber nach dem Schauspiel der letzten Tage nur eine Antwort. Das Tätowieren und die Corona Situation in Berlin passen nicht zusammen und Good Old Times Tattoo bleibt temporär geschlossen.
Wir können uns soviel die Hände waschen wie wir wollen. Das Signal, dass wir damit senden sorglos weiter zu tätowieren schadet mehr Menschen als wir mit einem Tattoo glücklich machen können. Es ist an der Zeit Verantwortung zu übernehmen und unser egoistisches Wohlstandsgehabe abzulegen. Wenn möglich bleibt einfach zu Hause und beschäftigt euch mit euch selber. Mir ist auch klar das nicht jeder den Luxus hat zu Hause zu bleiben. Wenn ihr unterwegs seit haltet einfach mal Abstand zu anderen. Seit euch bewusst dass vielleicht nicht jeder so jung und fit ist wie ihr es seit. Informiert euch richtig bevor ihr gefährliches Halbwissen von euch gebt und andere für ihr Handeln verurteilt.
Zusammenhalt
Denkt in den kommenden Wochen der Corona Situation in Berlin auch einfach mal an euren Tante Emma Laden um die Ecke, den Fahhradladen der euch bei jedem Platten den Fussweg erspart hat und die anderen kleinen Läden die Berlin ausmachen. Sie werden eine verdammt harte Zeit vor sich haben. Anstatt bei Amazon zu bestellen, werden sie sich über jede Spende oder Online Bestellung freuen und ihr erhaltet damit die Berliner Vielfältigkeit.
Das Team
Schaut doch bitte in den nächsten Wochen, dass ein oder andere mal auf dem Instagram unserer und eurer lokalen Tätowierer vorbei. Es gibt bestimmt das ein oder andere tolle Original oder Print zu erwerben. Ebenso ist dies die perfekte Zeit sich mit eurem Tätowierer über euer nächstes Projekt auszutauschen.
Ich selber werde die Zeit nutzen und ein paar Beiträge zu Interessanten Themen aus dem Bereich Oldschool und Japanisch schreiben. Auch freue ich mich über jedem Besuch und Kommentar auf dieser Webseite. Für Inspirationen und weitere Fragen schreibt mir einfach eine Mail an info@goodoldtimestattoo.com
Danke fürs vorbeischauen und bis sehr bald
Swen